Oschatz

Als das Deutsche Reich 1939 Polen überfällt, gibt es im sächsischen Oschatz noch kein Stalag. Aber auch die Oschatzer haben Interesse an polnischen Kriegsgefangenen als billige Arbeitskräfte, vor allem in der Landwirtschaft.
Anfang Oktober 1939 kommen die ersten 550 polnischen Kriegsgefangenen in der Stadt an. Sie sind zuvor im 20 km entfernten Stalag IV B Mühlberg registriert worden. 60 von ihnen werden in Oschatz im Gasthaus „Gambrinus“ untergebracht, die anderen in der Umgebung verteilt. Sie erhalten Frühstück und Abendessen in den Unterkünften, tagsüber sollen sie auf den landwirtschaftlichen Höfen oder an ihren sonstigen Einsatzorten versorgt werden. Die Vermittlung erfolgt über die Arbeitsämter.

Lutherstraße in Oschatz: Dieses Gebäude war ursprünglich eine Wollwarenfabrik. Ab 1935 saß hier der Reichsarbeitsdienst, ab 1941 wurden Kriegsgefangenen registriert. Postkarte aus dem Verlag Stengel & Co. GmbH, Dresden, Quelle: Sammlung Horst Kohl

Ab Ende Februar 1941 wird Oschatz zum „Schattenlager“ von Mühlberg und verwaltet nun als Stalag IV G seine Arbeitskommandos selbst. Fast 1.000 Einsatzorte sind nachgewiesen. Wahrscheinlich sind es noch sehr viel mehr, da so gut wie jeder landwirtschaftliche Betrieb in dieser Zeit Kriegsgefangene beschäftigt. Die Registrierung erfolgt in der Lutherstraße 20, danach werden die Gefangenen vieler verschiedener Nationalitäten zügig bis zu 80 km im Umkreis weiter verteilt. Ende Februar 1942 sind es fast 20.000, vor allem Franzosen, die für das Stalag IV G in Oschatz vermerkt sind. Auch sowjetische Kriegsgefangene sind darunter, zum Beispiel Dawid Dodin und Lew Mischtschenko. In der Stadt selbst wird für französischen Kriegsgefangene ein eigenes kleines Lager mit Holzbaracken errichtet.

Kontrolle durch das Rote Kreuz

Kurz vor Kriegsende besucht das Rote Kreuz Oschatz, um gemäß der Genfer Konventionen zu überprüfen, in welchem Zustand sich die amerikanischen und britischen Gefangenen befinden. Das Fazit ist ernüchternd: Die Menschen sind mehrheitlich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand, ungepflegt und erhalten zu wenig Essen. Die sowjetischen Kriegsgefangenen werden nicht begutachtet. Dass ihre Versorgung wie überall im Deutschen Reich dramatisch schlechter ist, verrät ihre Todeszahl: Nach Kriegsende wird auf Befehl der sowjetischen Militärverwaltung auf dem Ernst-Thälmann-Platz im Zentrum von Oschatz ein Friedhof für 109 sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter errichtet. Zu der Anlage gehört ein Mahnmal mit der Inschrift „Gedenke der Opfer des Faschismus“ und ein Ehrenmal mit 65 Namen.

Die zentrale Lage des Friedhofs wird mit den Jahren zum Problem für die Stadtentwicklung. Schließlich stimmen Anfang der 1960er Jahre die Verantwortlichen für eine Verlegung der Anlage, um dem wachsenden Verkehr gerecht zu werden. Man begründet diesen Schritt offiziell damit, dass „der bisherige Platz, auf dem sich der sowjetische Friedhof und das Mahnmal befindet, […] vom Rat der Stadt als nicht mehr würdig befunden“ wird. Vom 9. bis 13. November 1964 werden die Gräber durch das VEB Bestattungs- und Friedhofswesen Leipzig an den Rand des Stadtparks verlegt. Während der Arbeiten werden Tücher als Sichtschutz gespannt. Das Mahnmal wird Ende Januar 1965 auf dem Ernst-Thälmann-Platz ab- und am neuen Standort im Stadtpark wieder aufgebaut.

Während der Umgestaltung (1964) © Fotograf/in unbekannt, Stadtarchiv Oschatz
Das Mahnmal am neuen Standort im Park (2005) © Fotograf: Mario Teumer

Seit 2005 gibt es im Rathaus von Oschatz eine Ausstellung über die Geschichte des Stalag IV G. Der Oschatzer Geschichts- und Heimatverein e.V. hat sie erarbeitet und pflegt internationale Kontakte zu Familienangehörigen von ehemaligen Kriegsgefangenen.


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