Hebertshausen

Bereits wenige Wochen nach dem Machtantritt Adolf Hitlers wird in Dachau bei München ein Konzentrationslager errichtet. Inhaftiert werden dort vor allem politischen Gegner, bald auch Homosexuelle, Sinti und Roma, als „asozial“ Verfolgte und Juden. Sie alle sind der Brutalität und Willkür ihrer Bewacher von der SS schutzlos ausgeliefert.
1937 entsteht bei Hebertshausen, etwa zwei Kilometer nördlich des Konzentrationslagers, ein Übungs-Schießplatz, auf dem SS-Personal mit unterschiedlichen Feuerwaffen schießen und Granaten werfen lernen. Neben fünf Schießbahnen, zwei Schießständen und dem Granaten-Wurfstand entsteht außerdem ein Wirtschaftsgebäude mit Kneipe.

In den ersten Monaten nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 macht die Wehrmacht in großer Zahl Kriegsgefangene. Aus ideologisch-rassistischen Gründen suchen Gestapo-Beamte mit Hilfe der Wehrmacht im ersten Kriegsjahr in den Gefangenenunterkünften nach politischen Funktionären und Juden. Sie werden „ausgesondert“ und der SS zur Ermordung übergeben. Mindestens 33.000 Rotarmisten werden dafür aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, in Konzentrationslager überstellt und dort erschossen.

Tausendfacher Tatort

Das geschieht auch im KZ Dachau. Zunächst finden die Erschießungen im Bunkerhof des Lagers statt. Ab Oktober 1941 nutzt die SS für die Massenexekutionen den Schießplatz Hebertshausen. Vermutlich denken die Verantwortlichen zunächst, dass sie die Morde dort besser geheim halten können – geschossen wird dort schließlich häufiger. Diese Annahme stellt sich allerdings als falsch heraus: Die dem Tod geweihten Rotarmisten kommen mit Zügen der Deutschen Bahn zuerst nach Dachau und werden von dort auf Lastwagen nach Hebertshausen gebracht. Die Männer des Erschießungskommandos fahren zumeist mit dem Fahrrad dorthin, mindestens 40 sind bei jeder Mordaktion anwesend. Es kommt also zu ungewöhnlich viel Verkehr zwischen KZ und Schießplatz, was auch der Bevölkerung auffällt. Zudem sind in der Folge über Stunden Gewehrsalven und Einzelschüsse zu hören. Wenn die Lastwagen mit den Leichen dann wieder zurückfahren, finden sich anschließend Lachen von Blut auf der Straße. Anfangs werden die Toten in ein Münchener Krematorium gebracht, später im KZ Dachau verbrannt – auch das ist für die Anwohner*innen durch die Rauchentwicklung und den Geruch erkennbar.

Über 4.000 Kriegsgefangene werden hier bis zum Sommer 1942 umgebracht, unter brutalsten Umständen: Sie müssen sich entkleiden und werden dann, jeweils zu fünf, vor dem Kugelfang der rechten Schießbahn mit Handschellen angekettet und erschossen. Die Wartenden sehen, wie ihre toten Kameraden in vorbereitet Zinksärge geworfen werden. Sie wissen also, was sie erwartet. Das ist Folter.
Nur ein Überlebender von Hebertshausen ist heute bekannt: Der jüdische Rotarmist Mosej Beniaminowitsch Temkin. Er wird am Tatort zur Zwangsarbeit selektiert.

Im Sommer 1942 werden die gezielten Ermordungen der „ausgesonderten“ Kriegsgefangenen eingestellt, allerdings kommt es bis zum Kriegsende weiterhin zu Tötungen sowjetischer Gefangener, beispielsweise zur Strafe für Flucht oder Sabotage. In Hebertshausen werden keine sowjetischen Kriegsgefangenen mehr erschossen. Der Platz wird aber weiter zur Vollstreckung von Todesurteilen der SS- und Polizeigerichte genutzt.

Nach 1945: Gras drüber wachsen lassen

Nach Kriegsende bleibt der Schießplatz zunächst weiter in Funktion: noch in den 1950er Jahren macht die US-Armee hier Schießübungen. Dann verwildert das Gelände, und die Natur überwuchert die Spuren dieses Tatorts. Niemand im Ort will über das Verbrechen in der Nachbarschaft sprechen.
1964 entsteht auf Initiative der Lagergemeinschaft Dachau ein erstes Denkmal zur Erinnerung an die hier ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen. Erst 1998 wird das Gelände zu einem Teil der KZ-Gedenkstätte Dachau erklärt. Eine archäologische Untersuchung wird angeordnet und verbliebende Überreste der Anlage freigelegt. Seit 2014 gibt es eine Außenausstellung sowie mehrere Gedenkzeichen, auch unter Verwendung von Namen der hier Ermordeten – allerdings sind bisher nur etwa 1.000 bekannt. Seither findet hier jedes Jahr am 22. Juni eine Gedenkfeier statt.
Das Wirtschaftsgebäude auf dem Gelände wird seit vielen Jahren als Obdachlosenunterkunft genutzt.

„Ort der Namen“, Gedenkinstallation © KZ-Gedenkstätte Dachau

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