Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain

Als die Rote Armee am 23. April 1945 Zeithain erreichte, fungierte das ehemalige Stalag nur noch als Lazarett für Kriegsgefangene des Wehrkreises. Die Dimensionen der vormaligen Belegung und der dort Gestorbenen und Verscharrten waren nicht unmittelbar zu erkennen. Doch durch Verhöre und Befragungen von Wehrmachtsangehörigen kam bald ans Licht, dass es in der Umgebung des Lagers mehrere Massengräber geben musste. 1946 zwang die sowjetische Besatzungsbehörde ehemalige Mitglieder der NSDAP dazu, an diesen Orten zu graben. Nach den Bodenuntersuchungen schätzte sie die Toten in Zeithain auf etwa 35.000, erhöhte diese Zahl allerdings aus Propaganda-Gründen bald um das vierfach nach oben.

Chorun-Untersuchungskommission August bis Oktober 1946: Ein deutscher Gerichtsmediziner untersucht den Schädel eines verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen nach der Exhumierung, Zeithain 1946. © Bildarchivnummer 1778, Archiv der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain

Der Ehrenhain

Auf dem heutigen Gedenkstättengelände wurde unmittelbar nach der Befreiung zunächst ein provisorischer Ehrenfriedhof angelegt, auf dem auch die mit Namen versehenen Einzelgräber kenntlich blieben. 1948/49 erfolgte die finale Gestaltung und mit ihr die Anonymisierung dieser Gräber – die Grabtafeln wurden entfernt und ein 15 Meter hoher Obelisk sowie ein vier Meter hohes und zwölf Meter breites Eingangstor aus rotem Granit zur Rahmung aufgestellt. Außerdem wurden drei weitere Massengräber als Friedhöfe gekennzeichnet. Die Toten anderer Nationalitäten wurden allerdings nirgends erwähnt. Die Weiternutzung des ehemaligen Lagergeländes durch die sowjetischen und russischen Truppen bis 1992 führte dazu, dass diese in der Nähe des Lagers befindlichen Friedhöfe nicht öffentlich zugänglich waren. Die Gräber der italienischen, polnischen und serbischen Kriegsgefangenen wurden zerstört.

Am Anfang stand ein Schulprojekt

Am Beginn der Aufarbeitung der Geschichte des Lagers stand ein deutsch-sowjetisches Schulprojekt: Von 1977 bis 1983 machten sich Schülerinnen und Schüler der Oberschule Wülknitz und der sowjetischen Mittelschule Nr. 21 auf Spurensuche in der Region Meißen und stießen auf das Lager Zeithain. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in einer Broschüre, die den politisch gefärbten Blick auf die Geschichte gleich im Titel verrät: „Der Widerstandskampf im sowjetischen Kriegsgefangenenlager Jacobsthal 1941-1945“. Rotarmisten, die in deutscher Gefangenschaft gestorben waren, mussten zumindest Helden gewesen sein…
Das Engagement der Schüler*innen führte dazu, dass im Jahr 1985 eine Gedenkstätte eingeweiht und eine erste Dauerausstellung im ehemaligen Wohnhaus des Friedhofsgärtners gezeigt wurde.

Gedenkfeier anlässlich der Eröffnung der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain am 23. April 1985. © Bildarchivnummer 274, Archiv der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain

Nach der Wiedervereinigung schwand zunächst das Interesse an dem Ort: Zwischen 1991 und 1998 waren der Ehrenhain und die Gedenkstätte auf ehrenamtliche Helfer angewiesen. Zeitgleich bemühte sich die Stiftung Sächsische Gedenkstätten aber um die historische Erforschung der Lagergeschichte. 1997 gründete sich ein Förderverein, der sich für den Erhalt und die Erschließung der Anlage einsetzte, und seit 2002 betreibt die Stiftung Sächsische Gedenkstätten ganz offiziell die Gedenkstätte, die dann auch eine neue Dauerausstellung bekam.
Historische Gebäude aus der Zeit des Stalags sind in Zeithain nicht erhalten. Die Holzbaracken, in denen die Kriegsgefangenen untergebracht wurden, baute man nach dem Krieg ab und anderswo wieder auf, um sie weiter zu nutzen. 2001 holte der Förderverein eine solche Baracke zurück auf das Gelände, auch darin ist heute eine Ausstellung zu sehen. Bei der Sanierung fand man an einigen Dachbalken kurze Nachrichten, Namen und Zeichen: Kriegsgefangene, die ganz oben in den mehrstöckigen Betten lagen, konnten sich dort schreibend oder ritzend verewigen.

Erhalten ist darüber hinaus die nördliche der beiden Lagerstraßen und einige Gebäudefundamente, die – wie in der Gedenkstätte Lager Sandbostel – während der jährlich stattfindenden internationaler Freiwilligen-Workcamps ausgegraben werden. Auch den Bahnhof Jacobsthal, wo die Kriegsgefangenen ankamen, kann man noch aufsuchen.
In der pädagogischen Arbeit geht es heute nicht nur um die sowjetischen Kriegsgefangenen, sondern auch um die anderen Nationalitäten.

23.752

Viel Recherchearbeit wird seit Jahren in die Suche nach den Namen der in Zeithain begrabenen Soldaten gesteckt. Auf dem „Russenfriedhof“ hatte es ursprünglich sogar namentliche Kennzeichnungen gegeben, sie waren bei der Gestaltung 1948 aber wieder entfernt worden, vermutlich, weil die Individualisierung der Toten den Eindruck des Opfers vergrößerte – die sowjetische Militärverwaltung wollte aber Helden gedenken.
Heute stehen auf dem Gelände sowie den anderen drei Friedhöfen Stelen mit Namen und Daten von hier Begrabenen. 23.752 Namen sind heute bekannt, 22.815 davon waren sowjetische Kriegsgefangene. Die Gesamtzahl war am 27. Januar 2020 im Rahmen der Aktion „Lichter gegen Dunkelheit“ als Lichtinstallation auf der Zufahrtsstraße zur Gedenkstätte zu sehen. Der Künstler Alexander Callsen hatte sie aus LED-Leuchtröhren zusammengesetzt.


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