Frauen in der Roten Armee

Die Sowjetunion war im Zweiten Weltkrieg das einzige Land, das auch Frauen an die Front schickte. Zu Beginn vor allem als Sanitäterinnen, die im Kampfgebiet zur Erstversorgung von Verwundeten eingesetzt wurden. In den Lazaretten arbeiteten Krankenschwestern und Ärztinnen wie Antonina Konjakina. Und im weiteren Verlauf des Krieges wurden auch Fliegerinnen, Scharfschützinnen, Panzersoldatinnen oder Funkerinnen ausgebildet. Zu letzteren gehörte die hier porträtierte Olga Golowina. Einige Flieger-Regimenter bestanden ausschließlich aus Soldatinnen.
In der Regel hatten sich diese Frauen freiwillig gemeldet und waren ihren männlichen Kameraden formal gleichgestellt. Später wurden Sowjetbürger*innen auch zwangsweise mobilisiert, also eingezogen und bewaffnet. Zwischen 800.000 und einer Millionen Frauen dienten zwischen 1941 und 1945 in der Roten Armee.

Reaktion der Nazis

Die Nationalsozialisten nahmen den Einsatz von Soldatinnen als weiteren Beweis für die angebliche „Entartung“ ihres Gegners. Die Wehrmachtsangehörigen wurden vor den vermeintlich besonders gefährlichen „Flintenweibern“ gewarnt, mit denen sie im Fall der Gefangennahme kein Mitleid haben sollten.  

Weibliche Offiziere der 6. Gardearmee, Aufnahme vom 8. März 1944 © Fotograf/in unbekannt, Zentralmuseum der Streitkräfte, Moskau

Frauen als Kriegsgefangene

Rotarmistinnen, die in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, wurden in der Regel sofort von den Männern getrennt. Zu Beginn des Krieges kam es sogar zu Erschießungen. Grundlage dafür war ein Befehl von Generalfeldmarschall Walter von Reichenau vom 29. Juni 1941, der allerdings schon am 3. Juli wieder zurückgezogen wurde. Dennoch kam es auch in der Folgezeit wiederholt zu Tötungen. Die deutschen Soldaten hatten für ihre Taten keine Konsequenzen zu befürchten.
Die gefangenen Frauen wurden bis 1943 nur dann nach Deutschland gebracht, wenn die Wehrmacht sie in den Lazaretten der Stalags einsetzen konnte. Ansonsten blieben sie in den Lagern in den besetzten Gebieten in eigens abgetrennten Bereichen. Sie wurden dort genauso schlecht verpflegt wie ihre männlichen Kameraden. Ab 1943 wurden Frauen dann aufgrund des Arbeitskräftemangels im Deutschen Reich offiziell aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und mussten als zivile „Ostarbeiterinnen“ oder als KZ-Häftlinge der SS Zwangsarbeit leisten.

In der Nachkriegszeit wurde in der Sowjetunion kaum über das Schicksal der Soldatinnen gesprochen – die siegreichen Männer standen im Vordergrund. Es dauerte Jahrzehnte, bis überhaupt an die Frauen in der Roten Armee erinnert wurde. Und dann wurden einzelne zu Heldinnen überhöht, wie in dieser Mappe mit dem Titel „Sowjetische Frauen in Kämpfen um das Vaterland“ aus dem Jahr 1967. Darin sind 27 gemalte Porträts von Trägerinnen des Ordens „Held der Sowjetunion“. Bis heute ist die Wahrnehmung des „Großen Vaterländischen Krieges“ männlich geprägt.

Weibliche Kriegsgefangene wurden in der sowjetischen Nachkriegsgesellschaft genauso missachtet wie männliche. Wenn ihr Schicksal überhaupt zur Sprache kam, dann mussten sie einer Widerstandsgruppe angehört haben oder eine Heldengeschichte erzählen können wie die Frauen aus dem KZ Ravensbrück. Die Historikerin Ramona Saavedra Santis, die sich besonders mit den Frauen dieses Lagers beschäftigt hat, beschreibt, dass die Rückkehrerinnen aus der Kriegsgefangenschaft im Zuge der „Filtration“ häufig sexualisierte Gewalt erfuhren. Ihnen wurde unterstellt, sich schon den Deutschen „angeboten“ zu haben oder vom Feind „geschändet“ worden zu sein, und galten daher als moralisch minderwertig.


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