Zeithain

In Zeithain gibt es einen der ältesten Truppenübungsplätze Deutschlands. Als vor dem Überfall auf die Sowjetunion Stalags zur Unterbringung von Kriegsgefangenen benötigt werden, beginnt die Wehrmacht dort im April 1941 mit dem Bau eines solchen Lagers: Zeithain liegt aufgrund der Nähe zum Bahnhof Jacobsthal günstig im Wehrkeis IV Dresden. Die Arbeiten gehen nicht schnell genug voran. 12 Baracken für die Wachmannschaften und 26 für das Krankenrevier sind zwar fertig, als die ersten Gefangenen im Juli kommen. Aber es steht noch keine einzige Unterkunftsbaracke. Da ist nur ein mit Stacheldraht umzäuntes Gelände. Für die tausenden Rotarmisten gibt es keine Versorgung, keine Schlafplätze, keine sanitären Einrichtungen. Die Gebäude müssen sie erst eigenhändig errichten. Bis das Lager fertig ist, vergehen eineinhalb Jahre.

Sowjetische Kriegsgefangene tragen Barackenteile zum Aufbau des Lagers, Herbst 1941. © Archiv der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain

Am 26. August 1941 besucht Joseph Goebbels das Kriegsgefangenenlager in Zeithain. Er will sich selbst ein Bild machen von den „Untermenschen“, als die er die Angehörigen der Roten Armee in seiner Propaganda darstellt. Er wird zu verschiedenen Gefangenen geführt und stellt ihnen Fragen nach Hitler, Stalin und ihrer Meinung zu Juden, ein Wehrmachtsoldat übersetzt. In einem Bericht seines Ministeriums über den Besuch heißt es, dass Goebbels anschließend sagt, dass der Krieg nicht der „Normalzustand“ sein dürfe, er hoffe auf eine längere Friedenszeit. Der Bericht schließt mit den Worten: „Auch die anderen Fahrtteilnehmer haben […] das Lager nicht mit einem Gefühl des Hasses verlassen, sondern eher in Verwunderung darüber, daß es noch so viel menschlich aussehende Russen gibt.“

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Besuch des Propagandaministers Joseph Goebbels in Zeithain

Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm „Keine Kameraden“ (2011) von Beate Lehr-Metzger

In den Jahre 1941 und 1942 ist das Stalag 304 zusammen mit dem Stalag IV B Mühlberg das zentrale Aufnahmelager für sowjetische Kriegsgefangene im Wehrkreis IV. Von hier aus werden die arbeitsfähigen Gefangenen auf Arbeitskommandos weiter verteilt. Nur die Arbeitsunfähigen bleiben dort, werden allerdings nicht gepflegt oder geheilt.
Der gesundheitliche Zustand der Kriegsgefangenen ist ohnehin schlecht und verschlimmert sich durch die menschenunwürdigen Bedingungen in der Gefangenschaft immer weiter. Krankheiten verbreiten sich. Im Februar 1943 wandelt man das Stalag in ein Reservelazarett um, das als Zweiglager dem Stalag IV B in Mühlberg unterstellt wird. Es gibt 7.700 Betten.

Hohe Sterblichkeit

Schon im ersten Winter bricht eine Seuche aus. Der Zeitzeuge Dawid Dodin, der als Kriegsgefangener in Zeithain war, berichtet, dass die Wehrmacht das Lager im Dezember 1941 wegen eines Fleckfieber-Ausbruchs abriegelt, damit sich das Wachpersonal und die Bevölkerung nicht anstecken. Die Kranken werden sich selbst überlassen. Als im März die Tore des Lagers wieder geöffnet werden, sind von den 10.677 Gefangenen 6.948 gestorben. Nachdem die Wehrmacht die ersten Toten ab Juli 1941 noch in namentlich gekennzeichneten Einzelgräbern beerdigen lässt, werden nun anonyme Massengräber genutzt.
Eine weitere Lebensgefahr für die sowjetischen Kriegsgefangenen besteht in den „Aussonderungsaktionen“ der Geheimen Staatspolizei (Gestapo): Die sucht nach politischen Funktionsträgern und Juden, die anschließend in das KZ Buchenwald überstellt und dort ermordet werden. Mindestens 1.000 Männer werden im ersten Kriegsjahr aus Zeithain in den Tod geschickt.

Sowjetische Gefangene warten in Kolonne aufgereiht auf die Verteilung der Verpflegung, 1941/42. © Bildarchivnummer 2234, Archiv der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain

Sterbe-Lazarett

Im September 1942 wird das Stalag mit etwa 10.000 sowjetischen Kriegsgefangenen nach Leuven in Belgien verlegt. Die Männer müssen in der belgischen und nordfranzösischen Steinkohleindustrie arbeiten. Die Versorgung verbessert sich für sie geringfügig, da man die Zwangsarbeitskräfte zumindest eine Zeit lang erhalten will. Die Sterberate bleibt aber weiterhin hoch, da auch die Arbeitsbedingungen besonders hart sind.
Die Kranken bleiben zurück. Zeithain wird nun zum zentralen Abschiebelazarett für tuberkulosekranke sowjetische Kriegsgefangene aus dem gesamten Reichsgebiet. Auch Angehörige anderer Nationalitäten kommen: Nach der Kapitulation Italiens vor den Alliierten im September 1943 werden italienische Soldaten von der Wehrmacht interniert. Verletzte kommen nach Zeithain, wo für sie ein eigener Lazarettbereich eingerichtet wird. Und nach der Niederschlagung des Aufstands in Warschau werden über 800 verwundete polnische Soldat*innen der Armia Krajowa hergebracht, darunter sind etwa 400 Frauen.

Bis zur Befreiung liegen die Todeszahlen zwischen 10 und 20 Menschen täglich.
Am 23. April 1945 erreicht die Rote Armee Zeithain und befreit die kranken und verletzten Kriegsgefangenen, darunter Italiener, Polen, Franzosen und Serben. Viele sterben noch in den nächsten Monaten an den Folgen der Gefangenschaft. Die vier Massengräber im Umfeld des Lagers werden als Friedhöfe gekennzeichnet, 1948 wird der Ehrenhain Zeithain errichtet.


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