Bergen-Belsen
Schon 1935 beginnt Deutschland mit Kriegsvorbereitungen. In der Lüneburger Heide entsteht der Truppenübungsplatz Bergen. Die Arbeiter, die die Kasernengebäude aufbauen, werden in Baracken untergebracht, die die Wehrmacht nach Kriegsbeginn für die Unterbringung von Kriegsgefangenen nutzt. In unmittelbarer Nähe zueinander werden so die Lager Fallingbostel (für Franzosen, Belgier, Polen und Serben), und die „Russenlager“ Bergen-Belsen, Oerbke und Wietzendorf eingerichtet.
„Russenlager“
Die ersten Kriegsgefangenen kommen am 21. Juli 1941 im Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager XI C (311) Bergen-Belsen an, das zusätzlich zum zentralen Lazarett für sowjetische Kriegsgefangene im westlichen Teil des Wehrkreises XI bestimmt wird. Das Lager, für eine Belegung von 20.000 Gefangene ausgerichtet, wird gleich in den ersten Monaten überbelegt, ebenso wie die umliegenden Lager: Bis Ende 1941 kommen 21.000 Gefangene nach Bergen-Belsen, 23.000 nach Oerbke und 45.000 nach Wietzendorf. Es gibt zu diesem Zeitpunkt noch in keinem der drei „Russenlager“ ausreichend Unterkunftsbaracken – die meisten Rotarmist*innen leben unter freiem Himmel und bauen sich zum Schutz vor Wind und Wetter Erdhütten. Die Versorgung ist schlecht, sanitäre Einrichtungen gibt es nicht. Dass schon im ersten Winter Seuchen ausbrechen, ist unter diesen Umständen unvermeidlich. Und die Wehrmacht ergreift keine helfenden Maßnahmen, sondern lässt die Menschen sterben. In Bergen-Belsen wird eine dreimonatige Quarantäne verhängt – niemand kommt in das Lager rein oder aus ihm heraus. Die Zehntausenden Toten werden zuerst in Einzelgräbern, mit steigenden Todeszahlen in Massengräbern verscharrt. Diese Arbeit müssen die Kriegsgefangenen selbst übernehmen.
Die Gefangenen müssen arbeiten. In der Region werden sie in mehr als 500 Arbeitskommandos eingesetzt. Das ist nach den Genfer Konventionen unter bestimmten Umständen auch erlaubt. Bei den sowjetischen Kriegsgefangenen halten sich die Deutschen aber nicht an diese Verabredungen: Sie zahlen zuerst keinen, dann wenig Lohn, setzen die Menschen zu schwersten Arbeiten ein und versorgen sie nicht ausreichend mit Nahrung.
Zweiglager und Konzentrationslager
Als im Kriegsverlauf immer weniger Gefangene gemacht werden, übernimmt im Sommer 1943 die SS den Großteil des Geländes und macht daraus ein Konzentrationslager vorrangig für jüdische Häftlinge. Nur das Lazarett bleibt bestehen, formal als Zweiglager des Stalag XI B Fallingbostel. Hier werden sowjetische Kriegsgefangene und ab 1944 italienische Militärinternierte behandelt. Bis September 1943 arbeitet dort die ausgebildete Zahnärztin Antonina Konjakina im Verbandsraum, der zu einer Schaltstelle der Widerstandsgruppe „Hannoveraner Komitee“ wird.
Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands werden Angehörige der Armia Krajowa, der polnischen Heimatarmee, ins Zweiglager Bergen-Belsen gebracht. Es sind knapp 1.000 Menschen, die Hälfte von ihnen Frauen. Im Januar 1945 löst die Wehrmacht das Zweiglager auf und die SS übernimmt auch das Lazarett. In der Gedenkstätte Bergen-Belsen ist die Geschichte des Konzentrationslagers, das in der deutschen Öffentlichkeit weit bekannter ist als das Stalag, ausführlich dokumentiert.
Aus den vier Lagern in der Lüneburger Heide sind hunderte Fotografien überliefert, auch Aufnahmen von Leichen. Eigentlich war dem Wachpersonal das Fotografieren verboten, aber offenbar wurde dieses „Vergehen“ nicht wirklich bestraft. Die Bilder wurden auch vervielfältigt und verkauft. Das weiß man, weil einige Motive mehrfach wieder aufgetaucht sind. Die zum Teil zynischen Kommentare, die auf die Rückseiten geschrieben wurden, zeigen, wie fest die anti-russische Propaganda in der deutschen Bevölkerung verankert war. Hier heißt es zum Beispiel „Russki kaput“ oder „Entwicklung der Baukunst“.
Die Zahlen der Todesopfer aus dem Kriegsgefangenenlager Bergen-Belsen zeigen die ungleiche Behandlung der Gefangenen:
19.580 sowjetische Kriegsgefangene (mindestens)
142 italienische Militärinternierte
2 polnische Ärzte aus dem Lazarett
1 Soldatin der Armia Krajowa
1 französischer Kriegsgefangener
1 serbischer Kriegsgefangener
© Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Dokumentationsstelle Celle Rückseitige Beschriftung: „Juden vor ihren Höhlen“. © Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Dokumentationsstelle Celle © Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Dokumentationsstelle Celle Rückseitige Beschriftung: „Höhlenwohnungen“. © Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Dokumentationsstelle Celle